Tragstrukturen

Belastungsansätze für Offshore-Windenergieanlagen

Für die Entwicklung wirtschaftlicher und langlebiger Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) ist eine fundierte Kenntnis der auf sie einwirkenden Belastungen unerlässlich. Auf Basis ozeanographischer Eingangsdaten werden für verschiedene Seegangszustände Ansätze für die Simulation der resultierenden Belastungen entwickelt. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Richtungseinfluss und der Richtungsstreuung, um verschiedene lang- und kurzkämmige Seegänge simulieren zu können.

Die Umsetzung erfolgt durch Erweiterung des zur Wellenlastgenerierung entwickelten Programms „WaveLoads“. Es ermöglicht eine flexible Anwendbarkeit auf alle im hydrodynamischen Sinne schlanken Strukturen, zu denen die OWEA-Tragkonstruktionen zählen (Monopile, Tripod, Jacket). Durch das Schaffen von Schnittstellen allgemeiner Art – aber auch speziell zu bestimmten FE-Anwendungen wie ANSYS, Abaqus, MSC Nastran – wird WaveLoads als Lastmodul in Simulationsumgebungen eingebunden.

Neben eigenständigen Simulationen und Berechnungen fließt das Lastmodul in das integrale OWEA-Gesamtmodell ein. Damit werden Rückschlüsse auf Wechselwirkungen in der Anlagendynamik ermöglicht, insbesondere unter Berücksichtigung des Windes, der hauptsächlich über den Rotor auf die Tragstruktur einwirkt.

Integrierte Modellierung

Die Optimierung der Tragstruktur ist von zentraler Bedeutung bei der Entwicklung wirtschaftlicher Offshore Windenergieanlagen (OWEA). Dabei sind die Betrachtung sämtlicher Belastungsgrößen und die Untersuchung ihrer Wechselwirkungen mit der Anlagendynamik unter besonderer Berücksichtigung der Tragstruktur unerlässlich.

Der gewählte Ansatz verknüpft daher sowohl bestehende als auch neue Programmentwicklungen im Rahmen einer integralen Modellierung auf der Basis der Mehrkörpersimulation. Die so erstellten OWEA-Modelle können für Detailuntersuchungen beliebig erweitert oder für die gezielte Spannungsanalyse durch flexible Strukturen mit Finite-Elemente-Diskretisierung ergänzt werden.

Mit Hilfe dieser Simulationsumgebung wird es den beteiligten Forschungsvorhaben ermöglicht, ihre Ergebnisse für weitere Untersuchungen in das Modell einfließen zu lassen. Die bisher in ForWind entwickelten Module zur Simulation von Einwirkungen finden so ihre gezielte Anwendung und dokumentieren dabei gleichzeitig auch ihre Anwendbarkeit in weiteren Forschungsvorhaben oder externen Projekten.

Lebensdauerprognose für die Tragstrukturen von Offshore-Windenergieanlagen

Tragstrukturen für Windenergieanlagen (WEA) sind durch Wind- und Wellenbelastung sowie Lasten aus Anlagenbetrieb hochdynamisch beansprucht. Die Lebensdauer einer WEA ist auf 20 Jahre ausgelegt und mehr als 109 Lastspiele sind währenddessen zu ertragen. Dem Nachweis von Ermüdung bei Offshore-WEA kommt aufgrund der genannten Randbedingungen hinsichtlich der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit eine besonders große Bedeutung zu.

Für realistische Lebensdauerprognosen ist es erforderlich, für die verschiedenen Konstruktionsformen der Tragstrukturen von Offshore-WEA verbesserte Methoden und Bemessungsgrundlagen zu entwickeln. Den zunehmenden Anlagengrößen und den steigenden Wassertiefen kommt dabei besondere Aufmerksamkeit zu.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, mit den aus einer Gesamtsimulation stammenden Beanspruchungen eine Reihe von typischen Konstruktionsdetails vertieft zu untersuchen und die Bemessungsmodelle für Ermüdung zu verbessern. Zu diesen Konstruktionsdetails zählen:

  • geschweißte Verbindungen (Rohrknotenverbindungen von Tripod- oder Jacket-Strukturen)
  • Hybridverbindungen (Grouted Joints)
  • geschraubte Verbindungen (z.B. Ringflanschverbindungen mit großen Schrauben)

Die Untersuchungen im Rahmen dieses Forschungsprojektes sollen dazu beitragen, die Planungssicherheit im Hinblick auf die Lebensdauer der Tragstrukturen zu erhöhen. Besondere Beachtung sollen dabei die durch den Herstellungs- und Montageablauf vorgegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen finden.

Projekte zum Forschungsthema „Tragstrukturen“

Forschungsprojekt WinConFat-Structure

Für den sicheren Betrieb von Windenergieanlagen, speziell für deren Weiterbetrieb über die geplante Nutzungsdauer hinaus, ist eine kontinuierliche Zustandsüberwachung der Tragstruktur von großer Bedeutung. Hierfür soll ein modulares Konzept für Monitoringsysteme zur lebensdauerbegleitenden Zustandsüberwachung von Windkraftanlagentürmen in Betonbauweise entwickelt werden. In dem vom BMWK geförderten Projekt entwickelt das Institut für Massivbau der Universität Hannover ein Nachweiskonzept für die Bauteilermüdung von Windenergieanlagen aus Stahlbeton und Spannbeton unter hochzyklischer Beanspruchung.

Forschungsprojekt HyTowering

Hybridtürme in Segmentbauweise haben sich am Markt etabliert. Sie bestehen im unteren Teil aus Beton und im oberen Teil aus Stahl. Damit werden inzwischen Nabenhöhen von 150 m und mehr erreicht. Bei weiter steigenden Turmhöhen wächst jedoch das Risiko für Instabilitäten bzw. für Schäden in der Struktur. Außerdem sind die Bemessungsmodelle sowohl für die Fugen als auch für die Gründungen dieser Turmstrukturen bisher ungenügend entwickelt. Gegenstand des Forschungsvorhabens sind daher großformatige Versuche, an denen sowohl Bemessungsmodelle abgeleitet, als auch Monitoringkonzepte erprobt werden können. An dem vom BMWK geförderten Projekt war ein Konsortium der Universität Hannover beteiligt, bestehend aus den Instituten für Massivbau, Geotechnik, Statik und Dynamik sowie dem Testzentrum für Tragstrukturen.

Forschungsprojekt Refine

Eine technische Herausforderung bei modernen Windenergieanlagen ist die Beherrschung von Turmschwingungen, welche beispielsweise Errichtungs- oder Wartungsarbeiten behindern oder zu struktureller Schädigung führen können. Das Ziel des Verbundforschungsprojekts REFINE ist, das Verständnis für die Ausprägungen und Ursachen von Turmschwingungen zu verbessern. Am vom BMWK geförderten Projekt ist das Institut für Planung und Steuerung produktionstechnischer und logistischer Systeme beteiligt.

Schwerpunkte der Forschung

Ermüdungsverhalten von Schraubverbindungen

Axial beanspruchte Schraubverbindungen werden in den Konstruktionen von WEA vielfach angewendet. Typische Beispiele sind die Ringflanschverbindungen bei stählernen Rohrtürmen, der Anschluss der Rotorblätter an die Nabe und Befestigungen von Maschinenkomponenten am Maschinenträger. Wegen der hohen dynamischen Beanspruchung kommt der Vorspannkraft für die Ermüdungsfestigkeit eine besondere Bedeutung zu. Durch den Einsatz des innovativen Konstruktionselementes DISC soll nun ein nahezu wartungsfreies sowie präzises drehmoment-, drehmoment-drehwinkel- oder streckgrenzengesteuertes Verschrauben möglich werden. Zudem soll die Verwendung der Hytorc-DISC ein seitenlastfreies Verschrauben ermöglichen.

Ziel des Entwicklungsvorhabens ist es, durch die erhöhte Präzision bei der Einstellung der Vorspannkräfte die Nennvorspannkräfte gegenüber dem heutigen Standard zu erhöhen, damit die vorhandenen Schraubenfestigkeiten optimal auszunutzen und die Nennvorspannkraft für die festgelegte Lebensdauer des Konstruktionselementes ohne Nachspannen sicherzustellen.

Das Entwicklungsprojekt unterstützt das innovative Verbindungselement Hytorc-DISC auf dem Weg in die baupraktische Anwendung bei Windenergieanlagen. Insbesondere wird untersucht ob mit der DISC die planmäßige Schraubenvorspannung erhöht, die Streuung der Vorspannung verringert und die Materialfestigkeit besser genutzt werden können. Für die Verbindungen wird damit ein höherer Grad an Zuverlässigkeit und Dauerhaftigkeit, sparsamer Materialeinsatz und verbesserte Wirtschaftlichkeit erwartet.

Kolkphänomene und Kolkschutz

Bei am Meeresboden verankerten Gründungsstrukturen von Offshore Windenergieanlagen (OWEA) kommt es oft zu einer Aus- oder Unterspülung der Tragstrukturen (Ausbildung von Kolken). Hervorgerufen werden diese Kolke durch die hochkomplexe Interaktion zwischen Seegang, Meeresboden und der Struktur selbst sowie die hieraus resultierenden Veränderungen im natürlichen Strömungsregime im Umfeld der Tragstruktur. Eine Ausbildung von Kolken hat dabei stets einen direkten Einfluss auf die Standfestigkeit der Anlagen.

Die genaue Entstehung und die gegebenenfalls zu erwartenden Ausmaße von Kolken sind bisher nur unzureichend bekannt. Dies führt im Vorfeld der Installation von OWEA zu einer erheblichen Erhöhung der Sicherheitsfaktoren bei den Gründungsabmessungen. Im Rahmen der Forschungsaktivitäten am Franzius-Institut der Leibniz Universität Hannover werden daher Untersuchungen zur lokalen Kolkentwicklung am Fuße der Gründungsstrukturen durchgeführt. Maßnahmen zur effektiven Kolkreduktion und zum Kolkschutz nehmen die Wissenschaftler dabei ebenfalls in den Blick. Methodisch arbeitet das Institut mit einer Kombination aus numerischen Simulationen und physikalischen Modellversuchen. Letztere können in verschiedenen Modellskalen im Wellenkanal und 3D-Wellenbecken sowie im weltgrößten Wellenkanal, dem Großen Wellenkanal (GWK) in Hannover durchgeführt werden.

Durch die Untersuchungen zur Kolkbildung können Auswirkungen auf das Tragverhalten der Gesamtanlage ermittelt werden. Auf dieser Basis lassen sich gegebenenfalls geeignete Kolkschutzmaßnahmen für den jeweiligen Gründungstyp und die vorherrschenden Seegangsbedingungen entwickeln, die zukünftig eine effizientere Gründung und nachhaltige Kolksicherung ermöglichen.

Lastmodelle für Wellen

Ansätze zur Berechnung der Wellenlasten an Offshore-Strukturen existieren schon seit Jahrzehnten. Aufgrund der hohen Folgekosten im Versagensfall der Anlagen und Ungenauigkeiten bei den Lastannahmen werden die Bauwerke in vielen Fällen jedoch überdimensioniert bemessen.

Wellenlasten an Offshore-Strukturen werden gewöhnlich mit der Morison-Gleichung berechnet, deren empirische Koeffizienten anhand von Versuchen in Wellenkanälen gewonnen wurden. Auf den dreidimensionalen natürlichen Seegang sind die Gleichungs-Koeffizienten jedoch nicht in vollem Umfang übertragbar. Die voraussichtliche Belastung wird darum häufig zu hoch eingeschätzt.
Die aktuellen Forschungsvorhaben am Franzius-Institut und am Großen Wellenkanal der Leibniz Universität Hannover streben optimierte Lastmodelle für brechende und nicht-brechende Wellen an.

In Modellversuchen im Großen Wellenkanal, anhand von Messdaten aus dem Offshore-Testfeld Alpha Ventus und numerischen CFD-Modellen werden Lastmodelle für Strukturen von Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) erarbeitet. Mithilfe dieser Modelle lassen sich OWEA produzieren, die den tatsächlichen Belastungen entsprechen.

Messgerät zur Erfassung der Meeresbodenfestigkeit

Die Verlegung der Kabel für die Netzanbindung von Offshore-Windparks erfordert die messtechnische Erfassung der Meeresbodenfestigkeit. Im flachen Untergrund, das heißt 3 bis 10 Meter unter dem Meeresboden, werden beispielsweise Kabeltrassen verlegt, die die erzeugte elektrische Energie an Land transportieren.

Bisher fehlt in Deutschland ein flexibles, schiffgestütztes Messgerät, das vom Meeresboden aus mit einem Erkundungsbereich von 1 bis 15 mbsf (meters below seafloor) und schnellen Messintervallen operiert, um möglichst viele Messpunkte pro Schiffstag abzudecken.

Das Bremer Institut für Messtechnik, Automatisierung und Qualitätswissenschaft (BIMAQ) der Universität Bremen arbeitet deshalb an der Entwicklung einer mobilen meeresbodengestützten Messsonde zur Erfassung geotechnischer und geophysikalischer Meeresbodeneigenschafen. Das von kleinen bis mittleren Schiffen aus einzusetzende Gerät soll eine technische Erkundung der Untergrundsfestigkeit bis zu einer Tiefe von 15m in den Meeresboden ermöglichen, die ökonomisch realisierbar ist. Das zu entwickelnde Gerät beschleunigt und verbilligt dabei jegliche Art von Baugrunduntersuchungen im Offshore-Bereich. Für vorwiegend wissenschaftlich orientierte Einsätze kann das Messsystem mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet und in Meeresstiefen bis zu 4000 m eingesetzt werden.

Schadensdetektion durch neue Methoden der Messdatenanalyse

Das frühzeitige und sichere Erkennen von Schäden an Windenergieanlagen ist für die Vermeidung von Folgeschäden und für die Erhöhung der Lebensdauer unerlässlich. Daher ist eine stetige Verbesserung der Erkennungsleistung erforderlich.

Die mit Hilfe von Beschleunigungssensoren und/oder Dehnungsmessstreifen erfassten Schwingungsgrößen der Windenergieanlagen werden nach Veränderungen untersucht, die auf Schädigungen hinweisen. Die hierzu unternommenen Untersuchungen am Institut für Statik und Dynamik der Leibniz Universität Hannover sollen durch neue stochastische Verfahren erweitert werden. Es wird erforscht, inwieweit sich aus der Aufteilung der Zeitsignale in deterministische dynamische Anteile und in stochastische Anteile neue Erkenntnisse, bzw. verbesserte Verfahren zur Schadensfrüherkennung ableiten lassen. Ziel ist es, Schädigungen an Turm und Rotorblättern der Anlage früher zu erkennen.

Systemidentifikation und Monitoring zur Schadensfrüherkennung

Eine Möglichkeit, die Lebensdauer und damit die Rentabilität von Offshore-Windenergieanlagen zu erhöhen, ist, auftretende Schäden an der Tragstruktur frühzeitig zu erkennen und Folgeschäden zu vermeiden. Aufgrund der schlechten Zugänglichkeit und Erreichbarkeit der Anlagen ist eine regelmäßige Begutachtung sehr aufwändig bis unmöglich.

Aus dieser Situation heraus besteht unter anderem für Hersteller, Betreiber und Versicherer das Ziel, ein Schadensfrüherkennungssystem zu entwickeln.

In dem hier vorgestellten Forschungsvorhaben wird der Lösungsweg verfolgt, aus den an der Windenergieanlage gemessenen Schwingungsgrößen auf den Zustand der Tragstruktur zu schließen. Daraus ergeben sich zwei Hauptthemen: erstens die zuverlässige Ermittlung von Schwingungsgrößen an der Offshore-Windenergieanlage und zweitens die Schadensdiagnose aufgrund dieser Messwerte.

Dazu sind Messverfahren zu entwickeln, die einerseits so empfindlich sind, dass die erforderlichen Messgrößen in der benötigten Qualität geliefert werden, andererseits müssen sie so einfach und robust sein, dass sie den rauen Offshore-Bedingungen über lange Jahre standhalten. Es müssen die Parameter der mathematischen Modelle aus den Messwerten ermittelt und Berechnungsverfahren entwickelt werden, die Aussagen darüber liefern, ob ein Schaden vorliegt, wo er sich befindet und welches Ausmaß er hat. Weiterhin werden Simulationen an Finite-Element-Modellen, Messungen an Maßstabs-Modellen im Labor und Messungen an realen Anlagen durchgeführt.

WissenschaftlerInnen mit Forschungsschwerpunkt Tragstrukturen

Wir forschen!

Prof. Dr.-Ing. Thorsten Schlurmann

Leibniz Universität Hannover - Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen

Tel: +49 (0)511 / 762-19021
E-Mail: schlurmann@lufi.uni-hannover.de

Prof. Dr.-Ing. Raimund Rolfes

Leibniz Universität Hannover - Institut für Statik und Dynamik

Tel: +49 (0)511 / 762-3867
E-Mail: r.rolfes@isd.uni-hannover.de

Prof. Dr. sc. ETH Elyas Ghafoori

Leibniz Universität Hannover - Institut für Stahlbau

Tel: +49 (0)511 / 762-3781
E-Mail: ghafoori@stahl.uni-hannover.de

Prof. Dr.-Ing. Vincent Oettel

Leibniz Universität Hannover - Institut für Massivbau

Tel: +49 (0)511 / 762-3352
E-Mail: oettel@ifma.uni-hannover.de